Erfahrungsbericht zur Fatbike-Expedition durch die einsamsten Regionen Lapplands

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23.02.2024 – 01.03.2024 von unserem Guide Dirk

Wäre da nicht dieser Artikel über Lukas Stöckli aus der Schweiz und seine Winter-Fatbike-Angebote in einer der Bike-Ausgaben erschienen, wer weiß, ob es für mich jemals zu diesem außergewöhnlichen Bike-Abenteuer gekommen wäre.

So lernte ich Luki während eines Fatbike Wochenendes im Januar 2023 im Engadin kennen und natürlich gab es in der Gruppe Biker, die mit ihm bereits in Finnisch Lappland waren. Die begeisterten bis ehrfürchtigen Erzählungen haben mich dann nicht mehr losgelassen und entgegen aller innerlichen Bedenken, hat mich die Abenteuerlust verleitet, Ende Februar 2024 bei die 4. Ausgabe der Fatbike Expedition im Kaldoaivi Wilderness dabei zu sein.

Ich habe die Radexpedition noch ein wenig ausgedehnt und bin mit dem Camper mit Finnlines von Travemünde über Helsinki, Lahti, Nordkarelien, Finnisch, Schwedisch und Norwegisch Lappland bis auf die Lofoten getourt, wo ich die Zeit bis zur Abfahrt meines Postschiffs am kommenden Samstag nutze, um den Interessierten unter euch meinen Erfahrungsbericht zu diesem Bikeabenteuer zu liefern. Inzwischen liegen mehr als 2.500 km Landweg auf meist schneebedeckten Straßen, 611 Seemeilen (1132 km) und über 300 Fatbike-km hinter mir. Noch trennen mich ca. 1000 km mit dem Postschiff und 1.500 km Landweg von OWL, dann habe ich die große Nordland-Rundreise mit dem Besuch aller skandinavischen Länder abgeschlossen. An dieser Stelle beschränke ich mich aber ausschließlich auf den Reisebericht zur Fatbike Expedition.

Nur nicht den Mut verlieren...

Und los geht’s:

Über Hügel, Inseln, zugefrorene Seen und Bäche bikten wir durch eine der einsamsten und naturbelassensten Regionen Lapplands. Durch den höchsten Norden Europas ging es bis zur Barentsee. In dieser unendlichen Natur haben wir Raum und Zeit vergessen und erlebten tiefgreifende Emotionen, die uns für immer prägen.

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Dreihundert Kilometer nördlich des Polarkreises startet unser Abenteuer zum Polarmeer. Die Bevölkerungsdichte liegt gerade mal bei 0,46 Einwohner pro km2. Im Vergleich zu den Vorjahren wählt der Guide diesmal eine nahezu komplett neue Route. Und so führt uns unsere 1. Etappe bereits weit weg von der Zivilisation durch eine wunderschöne Hügellandschaft. Vor vier Wochen gab es hier noch rekordtiefe Temperaturen von -30° bis -40°C – aktuell haben wir milde -2° bis 0° Grad. Der Schnee ist kompakt, der Untergrund «rollt» und wir kommen schnell voran. Die verschneiten Winterlandschaften, die klare Luft und die Kälte genießt die Fatbiker Gruppe von 6 TN plus Guide in vollen Zügen. Wie sehr haben wir dieses absolute Winterfeeling in diesem viel zu milden Winter zu Hause vermisst.

Unser finnischer Skidoo Begleiter und Scout Aimo

Bereits am zweiten Tourentag erwartet uns mit über 70 km die Königsetappe. Sie führt uns weit abseits irgendwelcher Straßen durch absolut einsamste Natur. Hier muss schlicht alles funktionieren. Unsere einzige «Versicherung» ist Aimo mit dem Schneemobil und dem Transport Schlitten. Am Vortag konnte unser Guide Luki nur den Einstieg in dieser Abgeschiedenheit anschauen und die Schneeverhältnisse checken. Er war guten Mutes und so nahmen wir so früh wie möglich das Abenteuer in Angriff. Die Gruppe ist fit, der Schnee ist ideal, das Wetter passt… Nach einer Stunde hat unser Betreuer Probleme mit dem Schneemobil – der Motor überhitzt. Es gibt ein Problem mit der Kühlflüssigkeit. In Lukis Kopf rotieren die Gedanken – er schmiedet einen «Plan B» mit Umkehrpunkten und beobachtet Aimo und sein Schneemobil ab nun ganz genau. Der Gruppe gegenüber zeigt er seine Nervosität nicht. Es klappt schlussendlich alles wie geplant und wir schaffen es gar eine Stunde vor der Marschtabelle zum Ziel nach Inari.

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Bei der 3. Tagesetappe biken wir am Westufer des zugefrorenen Inarisee entlang. Es ist der heilige See der Samen und ist tief in ihrer Mythologie verbunden. Es ist mit bis zu 190 Meter der tiefste See Finnlands, ist etwa doppelt so groß wie der Bodensee und hat über 3000 Inseln. Einige Inseln haben besondere Geschichten und hatten eine entsprechend große Bedeutung. Das Licht ist flach, die Luft ist klar und die Schatten sind enorm lang. Gefühlt erleben wir einen stundenlangen Sonnenaufgang. Auch heute rollt es gut. Höhenmeter gibt es praktisch keine. Doch darf man den Widerstand des Schnees nicht unterschätzen. Wir haben Südwind, und weiterhin für diese Region und Jahreszeit fast tropische Temperaturen um die 0°C. Nach der gestrigen fordernden Königsetappe ist es schon fast eine regenerative Tour.

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Kiefern und Fichten erreichen nun die Grenze ihres Verbreitungsgebietes. Aus der größtenteils eher flachen Umgebung erheben sich vereinzelte Fjells, deren höchster der Viipustunturi mit 599 Meter ist. Wir befinden uns am Westrand des rund 3.000 Quadratkilometer Kaldoaivi Wilderness-Gebiets worin wir ab morgen unterwegs sein werden. Es ist der grösste Nationalpark Finnlands. Heute ist der Anteil an Land und Wasserflächen etwa 50/50. Die Region ist völlig verwinkelt und unglaublich malerisch. Die nördlichsten Buchten des Inarisees lassen wir schnell hinter uns. Immer wieder kreuzen Rentiere unsere Route. Nimmt man sich Zeit kann man sie mit Brot anlocken und sogar füttern. An Schneemobile sind die gewohnt, aber uns Biker beobachten sie ausgesprochen skeptisch.

Eine der drei größten Guide Lügen auf die Frage: Wie weit ist es noch? Antwort: Nur noch grad ums Eck!

Nur im Winter, wenn all die Seen zugefroren sind, ist diese Region und diese Landschaft überhaupt per Bike erreichbar. Die Bedingungen sind weiterhin perfekt und wir fliegen geradezu über die gefrorenen Seen. Schnell ist klar, dass wir bei diesem Tempo am Zielort noch einen Bonus-Loop einbauen können (Bild oben). Der Landschaftscharakter hat sich komplett geändert, die gedrungenen Birken sind wegen der kurzen Vegetationszeit uralt. Das Kaldoaivi-Widnissgebiet durchqueren wir am Rande und erreichen die nördlichsten Ausläufer des Skanden-Gebirges. Nirgends auf dem europäischen Festland gibt es eine einsamere und unerschlossenere Region. Am Ende der Tour überqueren die Grenze nach Norwegen und somit auch eine Zeitzone. Durch die sehr nördliche Lage herrscht hier vom 4. Dezember bis 8. Januar die Polarnacht. In dieser Unendlichkeit wird man sehr klein und demütig – alle spüren wie sehr in dieser Wildnis die Natur den Takt vorgibt.

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Die letzte Etappe führt uns noch mal in eine völlig neue arktische Welt. Bei Sonnenaufgang biken wir auf einem gefrorenen Fluss nach Neiden, eines der nördlichsten Dörfer Norwegens. Das Licht, die klare Polarluft und die unberührte Landschaft haben eine faszinierende Magie. Nur das Knirschen unserer Reifen ist zu hören. Fatbike-Spirit vom Feinsten. Mit dem heute in Finnland liegenden Näätämö war es ursprünglich die westlichste skoltsamische Siida. Die einstmals zusammenhängende Siedlung wurde 1852 offiziell geteilt und so reicht Finnlands Grenze sehr zum Leidwesen der Suomi nicht bis zum Polarmeer. Nun kommen noch mal Höhenmeter zusammen. Denn es gilt nach über 300 Kilometer die letzten Ausläufer des 1700 Kilometer langen Skandinavischen Gebirges «Skanden» zu überqueren. Wind, Schnee und Höhenmeter fordern noch mal alle Kraftreserven. Nach etwas mehr als drei Stunden erreichen wir unser Ziel, das Nordpolarmeer…

Jippiehyeah!

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Es ist ein gewaltiger und ebenso emotionaler Moment, wenn wir an einem der nördlichsten Landzipfel Europas ankommen. Hier wo Seefahrer 400 Jahre lang eine Durchfahrt durchs Inselgewirr des Nordpolarmeeres gesucht hatten, um den Schiffsweg von Europa nach Asien zu verkürzen. Über Jahrhunderte wurden durch den Mut dieser Pioniere die spektakulärsten Abenteuergeschichten geschrieben. Heute aber schreiben wir an dieser Stelle und für uns persönlich ein Stück Abenteuergeschichte. Wir sind einfach nur happy und genießen diesen einzigartigen Moment im höchsten Norden. Unserem hervorragenden Guide Luki gebührt ein ganz großes Dankeschön für dieses einzigartige Erlebnis, das uns alle auf so vielen Ebenen immer noch tief bewegt.

Abschießend hier der Kommentar zur Fatbike Expedition vom Guide Lukas Stöckli:

Es sind soooo viele Eindrücke und Emotionen sind zusammengekommen. Die Bilder und Stimmungen hinterlassen intensivste Erinnerungen. Es ist kaum in Worte zu fassen, was da in „nur“ einer Woche alles zusammengekommen ist. Es war mir eine ganz, ganz grosse Freude mit euch zusammen diese neue Fatbike-Expedition mitten durch Lappland hindurch zu erleben. Es war eine wunderschöne und einmalige Zeit, die mir für immer in Erinnerung bleibt! Unsere Gruppe war unglaublich toll, wir haben viel gelacht und es hat riesig, riesig Spass gemacht mit euch zusammen in dieser unendlichen Einsamkeit unterwegs zu sein. Diese Weiten und diese Stimmungen zu erleben. Wir waren ein Team – wir haben gemeinsam den Spirit gespürt und erlebt. Graaaaazie mille! Euer Luki

Das Vereinstrikot darf natürlich auch in Lappland nicht fehlen